Tanjas Torten-Bulli - ein T1 mit bewegter Geschichte
Wer einen alten Bulli kauft, weiß nie genau, was auf ihn zukommt. Dies hat auch die Schweizer Familie Bauer erfahren, die in der Nähe von Bern lebt. Ihr ganz spezieller T1 sollte zu Saisonbeginn beim Internationalen VW-Bus-Treffen Anfang April in Kirchzarten viele Bullifreunde überraschen. Bei unseren Recherchen über die wegen Corona abgesagten Treffen sind wir dann zufällig auf dessen lange Geschichte gestoßen, die 1962 begann und jetzt nach 58 Jahren ein Happy End erlebt.
Dieser T1 wurde am 3. September 1962 erstmals zugelassen als vermutlich weißer, fensterloser Kastenwagen. Beim Kauf durch Familie Bauer war er rot und blau, als sie ihren Schatz notgedrungen bis aufs nackte Blech abschleifen mussten, kam weiß hervor. An einigen Stellen entdeckten die Freunde vom VW Bus Club Schweiz einen grünen Schriftzug „H.Kerstin Möbeltransporte“. Mit dieser Spur fand man auch eine Erklärung für die ungewöhnliche Form des Hecks.
In der ursprünglichen Heckklappe war das Glas durch ein eingeschweißtes Blech ersetzt worden. Anschließend wurde der Bus seitlich neben den Lüftungsschlitzen und in der Mitte der Heckklappe senkrecht aufgeschnitten. Statt der nach oben öffnenden Heckklappe wurden – von wem auch immer – zwei Flügeltüren angefertigt und montiert, die dank ihrer bauchigen Form im Innenraum des Kastenwagens Platz für längere Möbelstücke ermöglichten. Diese nützliche Form wurde bei der Restaurierung belassen, wie man auf den aktuellen Fotos deutlich erkennen kann.
Über gute Kontakte in der VW-Bus-Szene hörten die Bauers von einem in Freiburg (Breisgau) lebenden Busfan. Dieser wollte das gute Stück für 5000 verkaufen, weil er wegen Augenproblemen nicht mehr fahren durfte. Seinen Erzählungen nach hatte er das Auto 1997 bei einem Altautohändler entdeckt und „mit großem Einsatz wiederhergerichtet“. Nach 12 Jahren Stilllegung wurde ihm am 10. November 1998 wieder eine TÜV-Plakette aufgeklebt. Dann machte der T1 der Typbezeichnung Transporter alle Ehre – fuhr als Gärtnerauto über Land und holte Holz aus dem Schwarzwald.
Der „gelernten“ Bulli-Familie, die mit ihren Kindern in einem T3 viele Campingurlaube genossen hat, ging das Auto nicht mehr aus dem Kopf, auch weil, wie Vater Marcel Bauer gerne betonte, der Bulli und er seien beide Baujahr 1962. So kam es zum Kauf – und zu den ersten Hindernissen. Denn mitten im T3-Urlaub wollte der Verkäufer plötzlich mehr Geld, weil er ein besseres Angebot erhalten habe.
Tochter half mit Sparschwein
Da schlug die Stunde von Tanja Bauer. Gerade 18 geworden und „Lernfahrerin“ überredete sie ihren Bruder zu einer Tour nach Freiburg und investierte 500 mühsam ersparte Euro, um den Zuschlag zu sichern. Mutter Barbara zu VW-Bulli: „Der Verkäufer bemerkte wohl ihre Freude und ihr Fieber für die Bullis, so dass er ihr den Bus definitiv versprach und wir ihn nach unseren Ferien in die Schweiz holten. Somit war der Bulli vom ersten Tag an ein Familienprojekt…“
Prompt kam die nächste Überraschung: Trotz der brandneuen deutschen TÜV-Plakette erhielt er von den Schweizer Prüfern keine Freigabe. Erneut verbrachte der Bulli fünf Jahre in einer Garage, weil das kleine Finanzpolster der Familie von der Reparatur eines Motorschadens beim T3 aufgefressen wurde.
Barbara Bauer, die als OK-Präsidentin des Internationalen VW-Bus-Treffens in Lenk derzeit das auf 2021 verschobene Treffen (13. bis 15.08.) organisiert, erzählt weiter: „2016 hatten wir wieder ein kleines finanzielles Polster um uns an die Restauration zu machen. In der Werkstatt eines Kollegen vom VW Bus Club Schweiz (https://vwbusclub.ch) konnten wir bei der Restauration mithelfen. Tanja, mein Mann und ich nutzten unseren Urlaub, um den kleinen Bulli bis auf das nackte Blech abzuschleifen, Rost zu entfernen und Beulen auszubessern. Dabei kam an etlichen Stellen purer Gips heraus, der als Füllung dienen sollte. Nach umfangreichen Schweißarbeiten, notwendigen Elektroinstallationen und der Neulackierung schaffte der Bus die KFZ-Prüfung und durfte wieder auf die Straße.“ Es fehlte aber noch die Innenausstattung. „Für mich war immer klar, dass wir mit diesen speziellen Hecktüre etwas Besonderes machen müssen.
Mutter als Modellbauerin
Schon bald kam mir die Idee mit dieser "Bar" und ich startete mit Skizzen und Kleinmodellen. 2018 als das Grundgerüst in meinem Kopf und auf Papier fertig war, fanden wir wieder Hilfe bei einem Kollegen aus dem VW Bus Club Schweiz. In dessen Werkstatt durften wir wiederum bei der Umsetzung meiner Ideen im Innenausbau mithelfen. So entstand im Heck dieser kleine Gastro-Bereich und im Vorderraum gibt es Wasser und zwei Bänke die zum Doppelbett umfunktioniert werden können. Zudem kann man den Bully dank seiner verschiedenfarbigen Beleuchtung auch als Partybus (mit Fahrer) mieten.
Jetzt ist Tochter Tanja mit dem weiß-blauen Bulli unterwegs. Die gelernte Confiseurin (Berufsbezeichnung für Konditorin in der Schweiz) heftet magnetische Logos an die Karosserie und schon ist der mobile Verkaufsstand von „TANJA’S TORTENWELT“ einsatzbereit für süße Verlockungen auf Märkten oder anderen Events. Im Angebot gibt es beispielsweise Crêpes – oder beim Einsatz vor dem Standesamt auch Apéros oder Sekt bzw. Champagner.
Der nachträglich eingebaute große Kühlschrank wird über eine zweite Batterie gespeist, für die Crêperie wird allerdings ein 220-Volt-Anschluss benötigt. Der luftgekühlte Motor stammt aus einem alten Käfer, leistet 25 kW, also 34 PS und hat einen Hubraum von 1184 cm³. Damit ist es ausreichend motorisiert und mit maximal 100 km/h kommt man auch auf Schweizer Autobahnen und Landstraßen nicht in Gefahr, die Limits zu überschreiten.
Mehr Infos über die muntere Tochter und ihr Hobby findet man auf ihrer eigenen, sehenswerten Webseite (https://www.tanjastortenwelt.com). Soweit es ihr Beruf im Kader einer Hotelkette zulässt, will sie, bald auch mit ihrer eigenen Webseite den Familienbulli noch intensiver bekannt machen. Und hier geht es zu ihrer Facebookseite.