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Elektrifizierung: Als nächstes kommen die Reisemobile dran

Bei den Pkw scheint der Trend hin zu Elektroautos nicht mehr aufzuhalten sein. Nun bringen sich die Hersteller von Campern bei der Elektrifizierung in Position.

Elektro-Camper von Winnebago auf Basis des Ford Transit.

 ©Winnebago

Was bei uns nur Mercedes, Knaus und Dethleffs umtreibt, wird nun auch bei amerikanischen Reisemobilmarken zum Thema. Thor Industries, der Mutterkonzern der Erwin Hymer Group, und der Traditionshersteller Winnebago haben auf der Recreational Vehicles Supershow in Florida ihre Sichtweise der Camper-Mobilität der Zukunft offenbart. Im Januar 2022 zeigten beide Unternehmen Konzeptfahrzeuge, die elektrische unterwegs sind. Winnebago nutzt die Plattform des Ford Transit, Thor baut ein eigenes Chassis unter den Hochdach-Aufbau.

Beim Antrieb setzt Winnebago allerdings nicht auf die gerade von Ford vorgestellte E-Maschine für den Transit. Der Antriebsstrang stammt von Lightning eMotors, die Energiequelle in Form einer 86 kWh speichernden Lithium-Batterie, versorgt nicht nur den Motor mit Strom, sondern auch alle elektrischen Verbraucher an Bord. Mit der Spannung von 350 Volt Gleichstrom werden der Warmwasserbereiter und die Klimaanlage betrieben, das Induktionskochfeld und der Kühlschrank bekommen die in Amerika üblichen 110 Volt Wechselstrom verabreicht.

Mercedes-Benz e-Vito.

 ©Daimler

Die Reichweite des Konzept-Campers ist allerdings arg eingeschränkt, denn viel mehr als 200 Kilometer schafft das Wohnmobil nicht. Dann geht’s zur nächsten Ladesäule, wo der Akku nach Werksangaben in rund 45 Minuten wieder voll einsatzbereit ist. Die Reichweite sei angemessen, sagt ein Winnebago-Sprecher, nach einer Kundenbefragung des Herstellers wären 54 Prozent der Kauflustigen mit dieser Distanz zufrieden.

Innen werden hauptsächlich nachhaltige Materialien wie Bambus und Holz verarbeitet. Zwei Längssitzbänke hinter den Sitzen für Fahrer und Beifahrer bilden eine Face-to-Face-Sitzgruppe. Die Rückenlehnen der Bänke sind klappbar, so lässt sich in Verbindung mit dem Tisch eine relativ große Liegefläche herrichten. Küche und Bad sind im Heck angeordnet.

Neben einem elektrifizierten Airstream Caravan, dessen Antriebstechnik einer Kooperation von Dethleffs und ZF entspringt, zeigte Thor ebenfalls ein elektrisches Wohnmobil, setzt aber hier auf einen Range-Extender zur Erweiterung der Reichweite, wie er auch bei Knaus-Tabbert auf dem Caravan Salon 2021 präsentiert wurde. Als Chassis nutzt das Thor Vision Vehicle (TVV) eine Plattform des Elektrospezialisten Roush Electrical Company, das speziell für das E-Mobil entwickelt wurde. Bei den Leistungsangaben wird Thor noch nicht konkret, verspricht aber Reichweiten bis zu 483 Kilometer. Außerdem sei der Range-Extender ein Vielstoffmotor, der mit unterschiedlichen Treibstoffen arbeiten könne, heißt es. Möglich sei auch eine Brennstoffzelle zur Energieerzeugung.

Elektro-Camper Thor Vision Vehicle.

 ©Thor Industries

Im TVV hat das Bad hinter dem Fahrersitz seinen Platz, die Bordküche ist auf der rechten Fahrzeugseite angeordnet. Zukunftsträchtig ist die Verdunkelung, das Fensterglas wird durch das Anlegen einer Niederspannung undurchsichtig. Mercedes hatte diese Technik bereits beim Vorgänger der S-Klasse für Glasdächer eingesetzt. Die längs eingebaute Couch wird nachts zum Bett für zwei. Man habe sich bereits seit mehreren Jahren mit der Elektromobilität für Reisemobile beschäftigt, sagte Bob Martin, CEO von Thor Industries, zu denen ähnlich wie bei der Erwin Hymer Group weit mehr als ein Dutzend Camper-Marken in den Vereinigten Staaten gehören.

Eine Markteinführung beider Elektro-Camper könnte 2023 erfolgen, bei uns sind elektrische Spezialausbauten bereits erhältlich. Reimo bietet für den eVito Ausbausätze an, Mercedes lässt den EQV, das batterie-elektrisch angetriebene Pendant des Midsize-Vans V-Klasse, beim Schweizer Unternehmen Sortimo Walter Rüegg AG umbauen. Die Kooperationspartner haften allerdings nicht gemeinsam, Mercedes übernimmt bei dem Zweirechnungsgeschäft die Garantie für das Fahrzeug, Sortimo für den aus Aufstelldach, Küchenmodul und Schlafplatz bestehenden Ausbau. Der EQV kostet (ohne Ausbau) mindestens 67.800 Euro und ist mit zwei unterschiedlichen Batterievarianten (90 kWh und 60 kWh) zu haben. Der EQV 300 hat eine WLTP-Reichweite bis zu 363 Kilometer, der EQV 250 soll 236 Kilometer weit fahren. An einer Schnellladesäule lassen sie sich in etwa 45 Minuten wieder aufladen. Für den eidgenössischen Ausbau sind nochmals etwa 25.000 Euro zu veranschlagen.

Und VW hat durchblicken lassen, dass der elektrische ID. Buzz auch als California kommen wird.

Michael Kirchberger aum