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Buchtipp: Happy Road! Und das Ziel? Egal!

Zwei Menschen, die sich vor der Reise kaum kennen, brechen im Bulli auf, um den Winter in Nordskandinavien zu verbringen, warum auch nicht... Heiko Wacker stellt das Buch "Happy Road" von Sarah Kringe vor.

 ©Sarah Kringe

Hallo Bulli- und Reisefreunde!

Sie kommt aus Nordbaden, er aus Österreich – der selbst ausgebaute Bus kommt aus Hannover. Wirklich kennengelernt haben sich Sarah und Mathias vor der Reise nicht, dennoch starten sie zu einer langen Auszeit auf Achse. Das Ziel, den Winter in Nordskandinavien zu verbringen, warum auch nicht, ist vage aber tragfähig, das Abenteuer wartet stets vor der Schiebetür.

Und wie es wartet!!!

Warum? Nun: „Dem Weg ist das Ziel egal“ meint die Autorin, und so steht es auch auf dem Cover, während im Hintergrund der Bulli im verschneiten Graben hängt. Ja, denn auch das gehört dazu, wenn man das Thema „Vanlife“ ohne rosarote Brille betrachtet. Und schon zeigt das Buch den Mut, den die beiden aufgebracht haben. Manch einer wäre erst gar nicht losgerollt, doch die zwei waren sich zuvor sicher, dass sie das würden stemmen können. Er: „Komm, wir machen das einfach!“ Sie: „Aber wir kennen uns doch kaum!“ Er: „Scheiß di ned oa!“

 ©Sarah Kringe

Okay, ein Rudel Schmetterlinge im Bauch war wohl auch dabei, als beiden kurz nach dem Kennenlernen klar wird: Jetzt oder nie! Also wird ein Bulli erworben, und zum Camper umgebaut. Damit dann los ins Abenteuer: Über den Balkan und Skandinavien bis zum Nordkap – und dann weiter bis nach, je nun, sagen wir mal, bis an ein überraschendes Ziel ihrer Reise. Dazu später mehr.

Immerhin aber sei erzählt, dass die beiden bei bosnischer Hitze im Bereich von 40 Grad geschwitzt, und bei lappländischen minus 20 Grad gefroren haben. Sie durften in der Wildnis Finnlands Marshmallows am Lagerfeuer grillen, mit dem lettischen Militärorchester die Nacht durchmachen, und auch sonst einige spannende Abenteuer erleben. Wenn deutsches und österreichisches Temperament in einem kleinen Camper aufeinanderprallen, ist das bisweilen eine explosive Mischung. Ein Bulli mit drei Quadratmetern als erstes gemeinsames Zuhause brachte die Reisenden mehr als einmal an ihre Grenzen.

 ©Sarah Kringe

Das geht schon bei grundlegenden Dingen los: „Also i find’s a guats Platzl“, meint Mathias bei einer Gelegenheit. „Ich schaue auf den malerischen Feldweg, auf dem wir stehen, die Blumenwiese neben dem Bus, das traditionelle rumänische Kreuz an der Weggabelung und die himmelweite Aussicht: Ich finde es zum Kotzen“, stellt indes Sarah fest. Na, das klingt doch nach einem perfekten Aufgalopp in einen schönen Abend mit Sundowner, oder?

Wer selbst schon zu zweit unterwegs war, der weiß, wie stark die Diskussion um einen nächtlichen Spot eine Beziehung belasten kann. Doch auch das gehört eben dazu, Kompromisse schließen nämlich. Und so erzählt das Buch auch vom Aufbruch zweier Menschen, die einen Neuanfang wagen – und sich nicht nur auf ein gemeinsames Abenteuer im Wohnmobil, sondern auch auf den jeweils anderen einlassen. Entsprechend hat Sarah viele ehrliche Einblicke in den Camperalltag parat, und räumt nebenbei mit der heilen Instagram-Vanlife-Welt auf. „Denn spätestens, wenn man bei Minusgraden mit Blasenentzündung in einem Bus ohne Toilette sitzt, hört der Spaß auf. Wirklich.“

Und so ist der Leser zu Gast bei ukrainischen Grillpartys – ja, das Buch entstand vor dem Krieg –, erlebt wild gewordene montenegrinische Schafherden und auch sonst so einige zwischenmenschliche Herausforderungen. Und deshalb sind die 290 Seiten auch so ehrlich und nahbar gelungen, es ist authentisch. Auch ohne Glücksformel! All das ist unterhaltsam, doch wirklich lesenswert ist „Happy Road“ vor allem wegen Sarahs pointierter Schreibe. Und dass am Ende ein Abstecher über 5.000 Kilometer nach Griechenland ansteht, das passt perfekt ins Bild. Dem Weg ist das Ziel nämlich egal!

Sarah Kringe: Happy Road. Dem Weg ist das Ziel egal. Wenn Nicht Jetzt-Verlag Lirstal. 290 Seiten, Softcover, ISBN 978-3-947824-151, 19.95 Euro, www.wnj-verlag.de.

Heiko P. Wacker