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Autarke Reise-Art: Können Reisemobile bald wieder unterwegs sein?

Viele Bullifahrer und Reisemobilisten wären übe rOstern unterwegs gewesen. Doch momentan ist alles dicht. Es wird jedoch schon eifrig an Lösungen gearbeitet, wie das Reisen im Reiemobil hoffentich bald wieder möglich sein wird.

 ©Volkswagen Nutzfahrzeuge

Das anhaltend schöne Wetter hätte unter normalen Umständen Hunderttausende von Campern mit ihren Reisemobilen zu Ausflügen und Urlaubsfahrten gelockt. Das wegen Sars-CoV-2 verhängte Reiseverbot hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, Stell- und Campingplätze sind geschlossen. Die Tourismusverbände, der ADAC und der Branchenverband CIVD suchen nach Auswegen und Möglichkeiten, nach oder trotz der Kontaktsperre Angebote zu schaffen.

Dr. Z. ist sauer. Auf der CMT im Januar hatte er sich nach einem neuen Reisemobil umgesehen und kurz darauf für einen Weinsberg Pepper entschieden. Kaufanreize waren das Doppelbett und der großzügige Sanitärbereich im Heck und natürlich der günstige Preis. Rund 53.000 Euro hat der Oberarzt an einer südhessischen Klinik für den weitgehend voll ausgestatteten Teilintegrierten auf Citroen-Basis bezahlt und ihn Anfang März beim Händler übernommen. Die Jungfernfahrt sollte ins Elsass und das französische Jura führen, das Verbot touristischer Reisen und geschlossene Campingplätze machten dem Weinliebhaber einen Strich durch die Rechnung. Der Pepper steht jungfräulich auf der heimischen Abstellfläche.

Wie dem Mediziner geht es Hunderttausenden von Reisemobilisten, die wegen Kontaktsperre und Tourismusverbot an Haus oder Wohnung gefesselt sind. Die Hersteller von Freizeitfahrzeugen leiden unter der Kaufzurückhaltung und dem Auslieferungsstopp, die Tourismusbranche ist nicht minder hart getroffen. Jetzt aber könnte es bald gute Nachrichten geben. Denn wenngleich sich die Mehrheit der Deutschen für eine Verlängerung der Kontaktsperre ausspricht, bietet gerade der Reisemobil-Tourismus viele Chancen und nur wenige Risiken oder negative Nebenwirkungen, die erste Phase einer vorsichtigen Lockerung der Verbote zu begleiten.

Denn, so die medizinischen und touristischen Experten, diese Tourismusform habe eine maximale Autarkie. Sie ist nicht von Gastronomie und sanitärer Versorgung abhängig, Reisemobile haben ihre eigene Küche und den Toilettenraum mit Dusche in aller Regel an Bord. Reisemobil-Stellplätze sind für die Einhaltung der weiter geltenden Abstands- und Hygieneregeln prädestiniert. Viele von ihnen finden sich auf dem Land und bieten Versorgung mit elektrischer Energie und Wasser. Die Ausfahrt ins Grüne bringt Naturerlebnisse näher, die nach vielen Tagen der Entbehrung eine entschleunigende Wirkung haben dürften. Die Kontakte zu anderen Menschen lassen sich dabei sehr einfach auf ein absolutes Minimum beschränken.

Geschlossener Campingplatz während der Coronakrise.

 ©ampnet Michael Kirchberger

Für eine zumindest teilweise Wiederöffnung geeigneter Stellplätze würden bestimmte Voraussetzungen gelten. Sie dürften aufgrund der notwendigen Kapazitätssteuerung ausschließlich mit Voranmeldung besucht, die einzelnen Parzellen müssten vergrößert werden. So ließe sich die notwendige Distanz zum Nachbarn wahren. Die sanitären Anlagen bleiben, sofern vorhanden, geschlossen.

Campingbusse ohne Toilette schließt das Expertengremium daher aus. Alle Versorgungseinrichtungen wie Elektroanschlüsse und Wasserhähne gilt es vor und nach jeder Nutzung zu desinfizieren. Höchstens zwei Camper je Fahrzeug wären erlaubt, mehr nur dann, wenn sie gemeinsam in einem Haushalt leben. Der Aufenthalt im Freien ist nur auf der zugewiesenen Parzelle gestattet, eine Markise darf genutzt werden, ein Vorzelt dagegen nicht. Empfohlen wird darüber hinaus die freiwillige Teilnahme an der Corona-App PPT-PT.

Auf dem Stellplatz gilt es, die Angebote zu reduzieren. Gemeinsam nutzbare Einrichtungen wie Pools oder Spielgeräte bleiben gesperrt, der Frühstücksservice ist zunächst gestrichen. Erlaubt bleibt dagegen der Verkauf/Wechsel von Gasflaschen, da diese für den Betrieb des Reisemobils erforderlich sind.

Der Arbeitskreis Reisemobiltourismus des Caravaning Industrie Verbands setz sich aus Vertretern des ADAC, DTV sowie der Hersteller und Zulieferer zusammen. Er geht zurück auf erste Expertengespräche Anfang der 1980er Jahre in der niederbayerischen Stadt Viechtach, wo 1983 unter der Federführung des damaligen Verkehrsdirektors Ludwig Reiner der erste Reisemobilstellplatz eröffnet wurde.

In Deutschland gibt es heute mehr als 4000 solcher Einrichtungen unterschiedlichster Größen. Ihnen stehen mehr als 532.000 bei uns zugelassenen Reisemobilen entgegen. Die Urlaubsform hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt, für das Jahr 2018 wurden 15,5 Millionen Übernachtungen sowie 16,5 Millionen Tagesreisen errechnet. Jeder Reisemobil-Urlauber gibt durchschnittlich 50 Euro am Tag aus. Insgesamt nennt die Branche einen Gesamtumsatz von 14 Milliarden Euro, sie umfasst rund 70.000 Arbeitsplätze. (ampnet/mk)

*Weitere Informationen finden sich unter der Adresse https://www.reisemobil-stellplatz.info/

ampnet Michael Kirchberger